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Der Kirchentag im Postkrieg

Artikel vom 15.05.2019 aus Sonstige Philatelistische Themen.

Als Postkrieg bezeichnet man es, wenn die Post-Organisation eines Landes die Postsendungen eines anderen Landes aus politischen Gründen nicht akzeptiert.

Es ist entscheidend, dass Marken und Stempel oder andere offizielle postalische Merkmale auf der Sendung Grund der Beanstandung sind.

Dabei behandeln die Postämter des Empfängerlandes die Postsendung entsprechend: Sie schwärzen die beanstandeten postalischen Merkmale, fordern eine Nachgebühr, senden das Poststück zurück oder greifen zu anderen Maßnahmen.

Der Postkrieg zwischen der BRD und DDR

Neben vielen anderen Mitteln wurde auch die postalische Kommunikation vom Kampf der unterschiedlichen Anschauungen und Ideologien zwischen Ost und West von den 1950er bis in die 1980er betroffen.

Neben der Zensur und Spionage, was zum Öffnen von vakanten Briefen führte, ist der äusserlich bekannteste Aspekt die "Schwärzung" von Motiven auf den Briefmarken und Stempeln des "Gegners" die besonders heikle Themen berührten.

20 Jahre Vertreibung (Bund MiNrm. 479)


Am 28.07.1965 (gültig bis 31.12.1967) erschien diese Ausgabe mit einer Auflage von 30 Mio Stück und als Thema die Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Gebieten die vorallem durch die Ostblockstaaten annektiert wurden.

Die Briefmarke fand in den Ostblockstaaten Ablehnung, sah man darin doch revanchistische Bestrebungen.

Die Marke wurde in der DDR, Polen, CSSR, UdSSR, Rumänien, Ungarn, China, Nordkorea und der Mongolei beanstandet.

Die Beanstandungen waren Übermalungen, Zurückweisungen, Markenentfernungen und andere Maßnahmen, je nach Land. Auch der offizielle Ersttagsstempel der Marke, wie auch private Schmuckeindrucke auf Umschlägen wurden beanstandet.

Der Anfang des philatelistischen Postkrieges

Der Postkrieg um diese Briefmarke hat das Thema in Sammlerkreisen erstmals richtig ins Bewusstsein gebracht. Hat doch die DDR mit "farbenfrohen" Übermalungen attraktive Belege ermöglicht.

Insofern ist dieser Postkrieg auch der Beginn der massenweisen philatelistischen Belege in Postkriegsszenarien. Denn beginnend mit diesem Postkrieg sind auch bei allen folgenden Postkriegen im Kalten Krieg weit überwiegend philatelistische Belege erzeugt worden.

Daher ist es nicht alltäglich, Bedarfspost in diesen Postkriegen zu finden, so auch hier mit der Vertriebenenmarke.

Schwärzung / Übermalung

Was die Übermalungen selbst angeht, so sind diese sehr nuancenreich. Es gibt alle möglichen Farben, viele eben auch in zahlreichen Nuancen. Der Postkriegskatalog von Burhop/Heijs nimmt eine grobe Unterteilung vor, die die Realität nur unzureichend abbildet. Allerdings ist es in der Sache durchaus diskutierbar, wieweit man granulieren will, vor allem auch weil Farbunterschiede oftmals subjektiv sind. Insofern ist in meinen Augen die vorgenommene Katalogisierung ausreichend. Schon auch deshalb, weil die Zahl der Sammler ja immer weniger wird und es wohl wenige geben dürfte, die überhaupt an einer weiteren Granulierung interessiert wären.

Noch zu sagen ist, dass sicher einzelne Farben schwerpunktmäßig auch einzelnen Regionen der DDR zuordnen lassen (siehe Postkriegskatalog), insgesamt stösst man da aber schnell an Grenzen, denn vielfach sind in denselben Gegenden unterschiedliche Farben zur Übermalung genutzt worden.

Evangelischer Kirchentag im Postkrieg

Versehentlich sind von der Schwärzung bundesdeutscher Briefmarken auch die Ausgaben mit der Thematik zum Kirchentag betroffen gewesen. Hier ein paar Beispiele:

Michel Nrm 405 geschwärzt
Foto von Dieter Becker

Brief in die DDR frankiert mit der bundesdeutschen Marke "Evangelischer Kirchentag 1963" (Michel-Nrm. 405). Das Markenbild ist geschwärzt. Bis heute gibt es keinerlei Hinweise, dass diese Marke Anlass für Postkrieg war. Deshalb höchstwahrscheinlich eine Fälschung. Ich (Dieter Becker) habe bisher zwei derartige Belege gesehen.

Michel Nrm 480 geschwärzt
Foto von Dieter Becker

Interessanterweise gab es Vollschwärzungen der Marke "Evangelischer Kirchentag 1965" (Michel-Nrm. 480), allerdings, soweit mir (Dieter Becker) bekannt nur, wenn auf derselben Sendung die Marke "20 Jahre Vertreibung" geschwärzt war. Die DDR hat allerdings offiziell bestätigt, dass es sich hier um ein Versehen handelt, wie man dem Burhop/Heijs entnehmen kann.

Michel Nrm 480 nicht geschwärzt

Im obigen Fall, abgebildet im Briefmarkenspiegel Ausgabe 1/2005, erkennt man die gleiche Marke Michel Nummer 480 zum 1965er evangelischen Kirchentag, diesesmal trotz geschwärzter Vertriebener Marke auf dem Brief nicht geschwärzt.

Belege


Geschwärzte Kirchentagsbriefmarke von 1965 zusammen mit der Vertriebenen-Marke auf einem Sammlerbrief.




Kirchentagsbriefmarke von 1965 zusammen mit der geschwärzten Vertriebenen-Marke auf einem Sammlerbrief.




Kirchentagsbriefmarke von 1965 zusammen mit der geschwärzten Vertriebenen-Marke auf einem Sammlerbrief.



Quellen



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Erstversion vom 15.05.2019. Letzte Aktualisierung am 12.05.2021.