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Der evgl. Kirchentag in der DDR

Artikel vom 27.07.2010 aus Der evgl. Kirchentag in der DDR.

Als im August 1961 wenige Tage nach dem 10. evgl. Kirchentag in Berlin, am selben Ort die Berliner Mauer aufgestellt wurde war somit nicht nur der Kalte Krieg in eine neue Phase eingetreten, sondern es verhinderte bis zur Wende die Durchführung eines gesamtdeutschen evangelischen Kirchentages.

Cover vom Kartenset vom
87er Kirchentag in Berlin.
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Insbesondere die starken Reisebeschränkung zwischen Ost und West ließen die Bewegung größerer Menschenmengen nicht mehr zu. Im ähnlich starken Maße galt dies auch innerhalb der DDR.

Dementsprechend entwickelte sich in der DDR eine Kirchentagsbewegung, die unabhängig von der in der BRD eine eigenständige Antwort auf die neuen Rahmenbedingungen suchte und fand.

Regional vs. Großveranstaltung

Aufgrund der zentralistischen Struktur des DDR-Staates und seiner mißtrauischen Haltung den Kirchen und ihren Gemeinden, kam eine überregional organisierte einzelne Großveranstaltung wie bisher nicht in Frage.


Karte vom 1956er Kirchentag im Westen an einen Pfarrer in der DDR mit der Bitte bei der Polizei nachzufragen welche Konsequenzen es geben würden wenn der Versender länger als den Veranstaltungszeitraum im Westen verbleiben würde.
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Demzufolge fand sich als Lösung nur regionale Veranstaltungen, von denen es dann mehrere pro Jahr gab. Als Hauptorganisatoren dieser Kirchentage stellten sich nach und nach die Landesausschüsse des Kirchentages in den einzelnen Landeskirchen heraus.

Das dabei die Bezeichnungen der Veranstaltungen auch immer wieder anders waren, lag in der Suche und Benennung des richtigen Konzeptes was insbesondere in der Anfangszeit alles andere als einfach war.

Staat und Kirchentag

Eine bemerkenswerte Schwierigkeit verursachteten das behördliche Denken, das jegliche größere Veranstaltung von einer Institution organisiert wird.

Kirche in Wittbrietzen
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Die Struktur einer Laienbewegung, die unabhänig von der Institution "Kirche" als Träger der Kirchentage agierte, war den Behörden nicht nahe zu bringen. Letztere erwartete einen regulären Ansprechpartner und somit jemanden aus der Kirchenverwaltung. Die Kirchentagsverwaltung war in diesen Fällen "nur" ein besseres Anhängsel.

Als ein ebenfalls wichtiges Momentum stellte sich schnell heraus das jegliche Abweichung auf der Veranstaltung von der sozialistischen Norm nur erlaubt wurde, sofern sie nachweisbar durch das Evangelium gedeckt war.

Unterschiede zwischen Ost und West Kirchentag

Während die Kirchentage in der BRD als Großveranstaltung insbesondere als markante Wegpunkte von Änderungen in der Gesellschaft begriffen und genutzt wurden, waren die Kirchentage in der DDR mehrheitlich von einer inneren Fixierung zu Stärkung des christlichen Miteinander in einem sozialistischen Umfeld geprägt.

Trotzdem boten die Veranstaltungen in der DDR Raum für kontroverse Gespräche und Aktionen, was insbesondere für die Jugend sehr wichtig war.

Der markantesten Unterschied wurde dann schnell sichtbar, als nach der Wende die ersten vereinigten Kirchentage stattfanden. Die Zahl der Teilnehmer und die Anonymität wirkte erschreckend.

Die DDR Veranstaltungen fanden in familiärer Atmosphäre in einer überschaubaren Gruppe und mit einem Solidaritätsgefühl, das Christen und "Sympathisanten" in einem atheistischen Staat spontan füreinander empfangen, statt. Sie machten die DDR Kirchentage zu einem besonderen und interessanten Ort in einem zentralisitisch geordneten Land.

Im Gegensatz dazu sind die Kirchentage im vereinigten Deutschland ein Angebot unter vielen und die damit so interessant oder auch uninteressant sind wie die anderen auch.

Die Kirchentage in den 60er

Die Kirchentagsveranstaltungen der 60er waren von der Lösungsfindung geprägt, wie man am sinnvollsten Kirchentage in der DDR veranstalten kann.

Hierbei stellte man fest das Landesweit verteilte Veranstaltungen auf der Ebene der Landesverbände für einzelne am sinnvollsten ist. Aus kleinen Anfängen wurde dann mit der Veranstaltung 1965 in Frankfurt / Oder der erste größere Kirchentag durchgeführt, der mit Gottesdiensten, Bibelarbeiten, Vorträgen und der Schlußversammlung den großen Vorbildern entsprach.

Trotzdem gab es immer Rückschläge, so das wegen dem Einmarsch in die CSSR nicht durchgeführte Treffen in Ost-Berlin im September 1968 oder den ebenfalls 1968 nicht durchgeführte große Kirchentag in Sachsen, wegen mangelnder Unterstützung durch den Staat bei Versorgung und Verkehr.

Trotzdem zeigten die Kirchentage, das solche Veranstaltungen im Rahmen der DDR machbar waren.

Die Kirchentage in den 70er

Die 60er wurden bestimmt durch die Frage "Ob Kirchentage in der DDR machbar sind?", in den 70er war diese Frage schon beantwortet und es ging daher primär darum diese zu stabilisieren und zu vertiefen.

Im Rahmen der Entwicklung von eigenständigen kirchlich-institutionellen Strukturen in der DDR wie z.B. dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) wurde auch die Kirchentagsverwaltung neu gegliedert in Form des "Evangelischer Kirchentag, Konferenz der Landesausschüsse in der DDR".

Wichtig in den ganzen 70er blieben die Begriffe "Grenzüberschreitung" und "Regionalisierung". Ersteres stand für Veranstaltungen, die die landeskirchlichen als auch sonstige Grenzen und Abgrenzungen überwinden sollten. Letzteres bezog sich auf den Versuch, möglichst in allen Gebieten mit Veranstaltungen präsent zu sein.
Beide Ziele wurden größtenteils erreicht.

Die Kirchentage wurden zudem in den 70er immer mehr zu einem Ort, an denen Themen angesprochen und Diskussionen geführt wurden, die ansonsten in der DDR keinen öffentlichen Raum mehr hatten.

Diese Entwicklung konnte selbst im Zuge des Falls "Brüsewitz", dem Selbstmord des Pfarrers und der danach deutliche Abkühlung zwischen Staat und Kirche, nicht aufhalten.

Die Kirchentage in den 80er

Aus administrative Perspektive war das Jahr 1982 ein wichtiger Einschnitt. Ab diesem Zeitpunkt fand wieder Treffen zwischen Ost und West-Verwaltung statt, mit positive Auswirkungen auf beide Veranstaltungen.


Ansichtskarte aus Frankfurt (Oder)
mit einem Grusstext vom 1983er Kirchentag.
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Als ein wichtiges Ereignis war das Jahr 1983 zu sehen. Zum 500. Jubiläum von Luther, war die Bedeutung dieses Jahres der Kirche in der DDR wohl bewusst.
Schon im Vorfeld sorgte dieses zu einer intensiven Diskussion ob man nicht, wie im Westen, eine große Veranstaltung durchführen sollte. Letztendlich setzten die gewachsenen Strukturen durch und es fanden sieben (!) regionale Kirchentage statt.

Ab Mitte der 80er wurden auch die Kirchentage in den Sog der durch Michail Gorbatschow und seiner Entspannungspolitik und den Reaktion seitens der DDR-Führung gezogen. Trotzdem gelang es für die Kirchentage immer wieder Raum und Platz zu schaffen um ihre Wirkung zu Entfaltung zu bringen. Nach den Erfahrungen von 1983 wurde dabei auch weiterhin historische Bezüge für Kirchentage hinzugezogen.
Höhepunkt dieser Serie war dann 1987 der Kirchentag in Berlin (Ost), dem einzigen der in der DDR geführten Kirchentage in der Hauptstadt.


Plakatvariante vom letzten Kirchentag in der DDR.
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Bei dem letzten Kirchentag in DDR, 1989 in Leipzig, war die Befürchtung seitens der DDR-Führung groß, das sich die Veranstaltung zu einer Reaktion gegen den Staat entwickeln vermochte. Die Entwicklung des Jahres, wie z.B. die Friedensgebete in der Nikolaikirche seit 1988, sorgte entsprechend für eine hoher Nervosität, die auch die Verantwortlichen des Kirchentages befangen machte.

Mit dem Ende der DDR 1990 durch die Vereinigung mit der BRD, fanden die Kirchentage der DDR ihr Ende.
Der erste gesamtdeutsche Kirchentag nach 1961 fand dann 1991 im Ruhrgebiet statt.




Plakat auf einer Postkarte für den 1983er Kirchentag in Görlitz.
Interessanterweise wird der Kirchentag nicht in der offiziellen Chronik geführt (siehe unten).
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Chronik


Vorsitzende des Evangelischen Kirchentages in der DDR



Quellen



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Erstversion vom 27.07.2010. Letzte Aktualisierung am 09.04.2021.