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Die letzte echte Hanseaten-Trupp


Artikel vom 14.07.2005 anlässlich der Ausgrabungen beim Johanneums.
Quelle: www.abendblatt.de

Domplatz: Bis zur Gründung des Johanneums diente der Ausgrabungsort als Exerzierplatz für das Bürgermilitär.

"Seit der schrecklichen Franzosenzeit bestand in Hamburg die Bürgermiliz", schreibt der Kornmaklersohn Theodor Birt, später Altphilologe in Marburg, "ich habe als Knabe noch gesehen, wie die biederen Jünglinge und Hausväter in Waffen zusammen in Reih` und Glied durch St. Georg zogen, mit brausender Musik, der Tambour voran, aber plaudernd, nach allen Fenstern grüßend, und die Ehefrauen und Liebsten wandelten nebenher, die den Proviant zusteckten . . . "

Das Marschziel ist rasch erreicht: der Domplatz zwischen Speersort und Schopenstehl - dort, wo jetzt Archäologen nach der Hammaburg suchen. Denn nach dem endgültigen Abriß des alten Mariendoms im Jahr 1807 dient das Gelände bis zur Grundsteinlegung des Johanneums 1837 als Exerzierplatz des Hamburger Bürgermilitärs, der letzten echten Hanseaten-Truppe, ehe mit dem Kaiserreich die Preußen kommen.

Die militärische Tradition Hamburgs begründet der Rat bereits im Mittelalter, er verpflichtet Bürger als Gardisten für Wach- und Ordnungsdienste, Feuerschutz- und Verteidigungsdienste. 1619 teilt sich die "Bürgergarde" nach den Kirchspielen in vier, später in fünf Regimentsbezirke mit Kompanien, Quartieren und Rotten zu je 16 Mann.

Nach Abzug der Truppen Napoleons 1814 gliedern die Stadtväter ihr neues "Bürgermilitär" - das Theodor Birt wie viele andere kurz "Bürgermiliz" nennt - nach französischem Vorbild in sechs Bataillone mit je acht Kompaniebezirken.

Dienen müssen alle Bürger sowie deren Söhne, können sich allerdings weitgehend freikaufen, indem sie einen Stellvertreter finanzieren. Jeder Gardist kauft Uniform und Gewehr, schiebt jedes Jahr viermal Wache und übt vier Tage lang auf Exerzierplatz oder im Manöver - auch an der Moorweide und auf dem Heiligengeistfeld hörte man die Kämpfer keuchen.

Die Übungen tun not, das Militär wird gebraucht: "Es herrscht ein ungemein patriotischer Sinn in ihren Reihen, was sich namentlich bei hamburgischen Miniaturrevolutionen und Emeuten zeigt", lobt ein Anonymus 1836.

Einen Kriegseinsatz haben die zum Schluß rund 8500 "Bürger in Uniform" in ihren zehn Bataillonen nicht zu bestehen, wohl aber bewähren sie sich als Nationalgarde beim Großen Brand im Jahre 1842. Wichtige Aufgaben entfallen, als der Rat 1861 die mittelalterliche Torsperre aufhebt und 1863 auch die Zollkontrolle zwischen Hamburg und St. Georg endet.

1867 geht Hamburgs Wehrhoheit mit dem Eintritt in den Norddeutschen Bund durch eine Militärkonvention an Preußen über, aus Buttjes werden Fritzen.

Bis dahin aber knallen auf dem Exerzierplatz drei Meter über den Resten der uralten Hammaburg die Knobelbecher hanseatischer Bürgersoldaten, klappern die Hufe der Kavallerie, lockt die Trommel: "Kumm, Kam´rad, kumm!" - zum Entzücken des Publikums: "Die im Sommer des Nachmittags stattfindenden Waffenübungen sind kleine Freudenfeste für alle Einwohner Hamburgs", berichtet der Anonymus von 1836.

Doch nicht allen, so der Chronist, gefällt das kriegerische Gepränge: "Gegen die alljährliche große Revue haben sich indes in neuerer Zeit viele Stimmen erhoben. Jedenfalls ist der Umstand dabei zu berücksichtigen, daß man den geringen Mann, der sein Brot sauer verdienen muß und dem jeder Arbeitstag wichtig ist, nicht unnötigerweise aus dem Geschäft reißen und ihm Gelegenheit geben sollte, obendrein noch ein für ihn Erkleckliches in Spirituosen außer´m Haus zu verbringen, was bei diesen Revuen nie unterbleibt." Der optische Auftritt blieb bis zum Schluß hanseatisch: "Im Sommer waren weiße Leinenhosen Vorschrift, aber man sah zwischendurch auch schwarze Beine", berichtet Kornmaklersohn Theodor Birt, "den Herren waren Leinenhosen zu kühl und nicht angenehm bei Regenwetter, das im Hamburger Staat zu herrschen pflegt."



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Erstversion vom 01.05.2019. Letzte Aktualisierung am 01.05.2019.