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Erhard Eppler

Artikel vom 04.09.2020 aus Präsidenten der Kirchentage.

Erhard Eppler (* 9. Dezember 1926 in Ulm; † 19. Oktober 2019 in Schwäbisch Hall) war ein deutscher Politiker der SPD.

Er hatte in den 1970er und 1980er Jahren diverse Führungsämter in der SPD inne und war von 1968 bis 1974 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Von 1961 bis 1976 war er Abgeordneter im Bundestag, danach bis 1982 des baden-württembergischen Landtags.

Zudem war er nach seiner politischen Laufbahn im Umfeld der evangelischen Kirche tätig, unter anderem mehrfach als Kirchentagspräsident, und war eine der herausragenden Persönlichkeiten der Friedensbewegung der 1980er Jahre.

Er galt als prominenter Vertreter des linken Parteiflügels der SPD, unterstützte jedoch die Reformen der Agenda 2010, den Kosovokrieg und den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr im Rahmen der NATO.

Im März 2014 kritisierte er den Kurs des Westens gegen Russland aufgrund der Krimkrise in der Ukraine und wandte sich gleichzeitig gegen eine "Verteufelung" Wladimir Putins.


Unterschrift des Kirchentagspräsidenten Dr. Erhard Eppler auf einer Stempelkarte vom 1991er Kirchentag.
zum Beleg

Leben, Ausbildung und Beruf

Erhard Eppler wurde in Ulm geboren und wuchs in Schwäbisch Hall auf, wo sein Vater, Richard Eppler, Leiter der Mergenthaler-Oberschule und seine Mutter Hildegard Eppler erste weibliche Stadträtin war.

Von 1943 bis 1945 nahm Eppler als Soldat am Zweiten Weltkrieg teil. Über die Umstände, wie er mit welchen, sein weiteres Leben bestimmenden Gedanken unmittelbar nach dem Weltkrieg wieder zurück nach Hause fand, erzählte Eppler in einem Gespräch mit dem Postwachstumsökonomen Niko Paech:
"Damals musste ich von Lüneburg zu Fuß in meine Heimatstadt Schwäbisch Hall laufen, in Lumpen gehüllt, denn ich hatte meine Uniform auf einem Bauernhof umgetauscht. Auf diesem Weg hatte ich viel Zeit zum Nachdenken, und da ist mir klar geworden, dass Politik immer mit Leben und Tod zu tun hat – direkt oder indirekt. Eine schlimme Politik hatte damals einen ganzen Kontinent zerstört und unendlich viele Menschen das Leben gekostet. Das hieß aber für mich auch: Verantwortliche Politik kann dafür sorgen, dass das nicht wieder passiert."

1946 bestand Eppler das Abitur am Gymnasium bei St. Michael und absolvierte in Frankfurt am Main, Bern und Tübingen ein Lehramtsstudium für Englisch, Deutsch und Geschichte, das er 1951 mit dem ersten und 1953 mit dem zweiten Examen für das höhere Lehramt beendete. 1951 erfolgte an der Universität Tübingen seine Promotion zum Dr. phil. mit der Arbeit Der Aufbegehrende und der Verzweifelnde als Heldenfigur der elisabethanischen Tragödie.

Er war bis 1961 als Lehrer am Gymnasium in Schwenningen am Neckar tätig.

Eppler wohnte in Schwäbisch Hall. Nach dem Tod von Horst Ehmke war Eppler das letzte lebende Mitglied der Regierung Kiesinger. Er starb am 19. Oktober 2019 im Alter von 92 Jahren.

Parteimitgliedschaften

Eppler wurde im September 1943 im Alter von 16 Jahren Mitglied der NSDAP. Später bezeichnete er diesen Schritt als eine "Dummheit", aber er äußerte auch: "Ich bin nicht gegen meinen Willen auf eine Liste gekommen, sondern habe es akzeptiert. So war das damals."

1952 trat er in die von Gustav Heinemann und Helene Wessel gegründete Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP) ein, wechselte aber, wie die meisten GVP-Mitglieder, 1956 zur SPD. Hier war er von 1970 bis 1991 Mitglied des Bundesvorstandes, von 1973 bis 1989 Präsidiumsmitglied (ausgenommen 1982–1984) sowie von 1973 bis 1992 Vorsitzender der SPD-Grundwertekommission. Seitdem war er Ehrenmitglied der Kommission.

Von 1973 bis 1981 war er Landesvorsitzender der SPD in Baden-Württemberg. Bei den Landtagswahlen 1976 und 1980 war er Spitzenkandidat der SPD für das Amt des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, konnte sich jedoch gegen die Amtsinhaber Hans Filbinger (1976) bzw. Lothar Späth (1980) nicht durchsetzen.

Abgeordneter

Von 1961 bis 1976 war Eppler Mitglied des Deutschen Bundestages, ab 1972 mit einem Direktmandat im Wahlkreis Heilbronn. Ab 1976 war er für den Wahlkreis Rottweil Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg, wo er bis 1980 Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion war. Am 30. Juni 1982 legte er sein Mandat nieder. Sein Nachfolger wurde Klaus Haischer.

Öffentliche Ämter

Am 16. Oktober 1968 wurde Erhard Eppler als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit in die von Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger geführte Bundesregierung berufen.

Dieses Amt behielt er auch unter Bundeskanzler Willy Brandt. Nach dem Rücktritt Brandts im Mai 1974 gehörte er zunächst auch dem von Bundeskanzler Helmut Schmidt geführten Kabinett an. Wegen erheblicher Kürzungen des für sein Ministerium vorgesehenen Haushalts trat er zurück und wurde am 8. Juli 1974 von Egon Bahr abgelöst.

Gesellschaftliches Engagement

Nach seinem Rückzug aus der Bundespolitik widmete Erhard Eppler sich mehr seiner Arbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Unter anderem war er von 1981 bis 1983 und von 1989 bis 1991 Kirchentagspräsident.

Er war Mitglied der Evangelischen Akademikerschaft in Deutschland und des PEN-Zentrums Deutschland. 1977 war Eppler Gründungsmitglied der 2009 in der Humanistischen Union aufgegangenen Bürgerrechtsbewegung "Gustav-Heinemann-Initiative". Außerdem gehörte Eppler dem Kuratorium des Öko-Instituts an.

Politische Positionen

Steuerpolitik: Nachdem Alex Möller, erster Finanzminister der sozialliberalen Koalition, im Mai 1970 auf dem Saarbrücker Parteitag der SPD eine Steuerreform als ein "Jahrhundertwerk" angekündigt hatte, dieser Ankündigung aber keine konkreten Schritte folgen ließ, beauftragte der SPD-Parteivorstand im Juni 1970 eine Kommission unter Vorsitz Epplers, damals Entwicklungshilfeminister, mit der Ausarbeitung eines Programms.

Mit diesem Programm befasste sich die Arbeitsgruppe rund ein Jahr, ohne von der Regierung und der Öffentlichkeit beachtet zu werden. Das änderte sich im November 1971 mit dem Steuerparteitag der SPD.

Eppler und seine Kommission betrachteten Steuerpolitik als Hebel zu gesellschaftlichen Veränderungen. In der Nachkriegszeit sei, so Eppler, der Wohlstand gewachsen, aber vornehmlich in privaten Händen. Es gelte nun, sich Gemeinschaftsaufgaben zu widmen, wie etwa dem Ausbau von Kindergärten, Schulen, Universitäten, dem Gesundheitswesen oder dem öffentlichen Nahverkehr.

Der Betätigungsraum staatlichen Handelns sollte darum – steuerfinanziert – ausgeweitet werden. Der Parteitag forderte eine deutliche Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 60 Prozent sowie eine Erhöhung der Körperschaftsteuer auf 56 Prozent. Karl Schiller, damals Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen, blieb auf dem Steuerparteitag mit seiner Kritik an diesen deutlichen Erhöhungsplänen isoliert.

Friedenspolitik: Eppler galt als einer der Exponenten des linken Parteiflügels innerhalb der SPD. Helmut Schmidt kommentierte Epplers Wirken in Bundesregierung und SPD mit dem Verdikt, er sei ein "Mann, der niemals Wahlen gewonnen hat".

Allerdings unterstützte Eppler in der zweiten Amtsperiode Gerhard Schröders die Reform-Projekte der rot-grünen Bundesregierung, etwa die Agenda 2010. Zudem befürwortete Eppler, der in den 1980er Jahren noch die Friedensbewegung unterstützt und als Hauptbetreiber der SPD-Wende gegen den NATO-Doppelbeschluss den Kanzlersturz von Schmidt (1982) mitverursacht hatte, ausdrücklich den außenpolitischen Kurs der rot-grünen Bundesregierung unter Führung von Gerhard Schröder und billigte die Intervention 1999 im Kosovo und den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr (2001–2014).

Russlandpolitik: Heinrich August Winkler hatte 2007 Epplers Aussage "Verglichen mit Stalins Säuberungen und Hitlers Rassenwahn ist Putins gelenkte Demokratie höchst human" zitiert als Beispiel für einen falschen Maßstab. Im März 2014 kritisierte Eppler den Kurs des Westens gegen Russland aufgrund der Krimkrise in der Ukraine. Er wandte sich gegen eine "Verteufelung" Wladimir Putins. Er meint, kein russischer Präsident hätte geduldig dabei zugesehen, wie eine "eindeutig antirussische Regierung in Kiew die Ukraine in Richtung NATO zu führen" versuche.

Im August 2016 wiederholte er seine Interpretation einer "Demonstration der Überlegenheit" der NATO bei der Osterweiterung, auf die Russland defensiv reagiert habe. Für die Lösung des Konflikts in der Ostukraine sei für den aufmerksamen Beobachter die Ukraine am Zuge, dies werde aber verschleiert. Die Ukraine habe zwar nicht dieselben Defizite in Sachen Demokratie wie Russland, aber in der Summe nicht weniger. "Tatsächlich ist hartnäckige Opposition gegen den Regierungskurs in der Ukraine nicht ungefährlicher als in Russland, zumal der Ukraine immer noch ein wirkliches Merkmal des souveränen Staates fehlt: das Gewaltmonopol." Gerade die Unfähigkeit der Zivilisation, mit der Bedrohung durch den IS fertig zu werden, zeige, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen der USA und Russland sei. Ein Wettrüsten wirke angesichts dessen ungewollt komisch.

Europapolitik: In einer Rede zu den "Weimarer Reden" 2012 rief Eppler zu mehr Solidarität in Europa auf und erklärte, die EU mit dem Wettbewerbsprinzip voranzubringen "war und ist eine Schnapsidee". Wettbewerb zwischen den EU-Nationen führe dazu, "dass die Staaten einander durch immer niedrigere Unternehmenssteuern Investitionen abjagen" und begründe stärkeres Misstrauen. Auch wer über Renationalisierung klage, könnte hier einen wichtigen Grund finden.

Zitat

Befragt zu den Themen Ökologie, Energiewende und Friedenspolitik: "Wer zu früh kommt, den bestrafen die Parteifreunde." – Süddeutsche Zeitung Nr. 257 vom 7./8. November 2015, S. 58

Kommentar im Dokumentarfilm Federn lassen – Von der Dritten Welt zum globalen Süden von Gaby Weber zum Thema Armut, Flucht und Migration: "Ich hab Anfang der 70er immer gesagt, Leute, wenn wir nicht mehr für Afrika machen, dann kommen wir unter einen Einwanderungsdruck, der uns zum Polizeistaat machen kann, aber es hat kein Mensch zugehört." – Dokumentarfilm „Federn lassen – Von der Dritten Welt zum globalen Süden“ von Gaby Weber, Oktober 2017

Ehrungen und Auszeichnungen


Quellen



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Erstversion vom 04.09.2020. Letzte Aktualisierung am 23.05.2021.