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Richard von Weizsäcker

Artikel vom 04.08.2020 aus Präsidenten der Kirchentage.

Richard Karl Freiherr von Weizsäcker (* 15. April 1920 in Stuttgart; † 31. Januar 2015 in Berlin) war ein deutscher Politiker (CDU).

Er war von 1981 bis 1984 Regierender Bürgermeister von Berlin und von 1984 bis 1994 der sechste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

In seine Amtszeit als Bundespräsident fiel die deutsche Wiedervereinigung in den Jahren 1989 bis 1990; somit wurde von Weizsäcker der erste Bundespräsident des vereinten Deutschlands.

Familie

Richard von Weizsäcker entstammte dem pfälzisch-württembergischen Geschlecht Weizsäcker. Er wurde als viertes Kind Ernst von Weizsäckers und Marianne von Weizsäckers geboren.

Sein Großvater, der württembergische Ministerpräsident Karl Hugo von Weizsäcker, war von König Wilhelm II. von Württemberg geadelt und dann 1916 in den erblichen Freiherrenstand erhoben worden.

Weizsäcker hatte zwei Brüder und eine Schwester: Carl Friedrich von Weizsäcker (Philosoph und Physiker, 1912–2007), Adelheid von Weizsäcker (1916–2004) und Heinrich Viktor von Weizsäcker (Offizier, 1917–1939[1]).

Die Familie lebte aufgrund der diplomatischen Tätigkeit des Vaters an verschiedenen Standorten.

Seit dem 8. Oktober 1953 war von Weizsäcker mit Marianne von Kretschmann verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder.

Richard von Weizsäcker starb am 31. Januar 2015 im Alter von 94 Jahren in Berlin-Dahlem. Am 11. Februar 2015 fand ein Staatsakt im Berliner Dom statt. Anschließend wurde Weizsäcker auf dem Waldfriedhof Dahlem beigesetzt.

Werdegang bis 1945

1937: Abitur, Hitlerjugend.
1938: Reichsarbeitsdienst
1938: Beitritt der Wehrmacht in der 23. Infanteriedivision
1939: Teilnahme am Westfeldzug
1940: Offizierslehrgang
1941: Barbarossa Feldzug, Schlacht um Moskau
1942: Ordonannzoffizier im OKH
1943: Einsatz an der Leningrader Blockade (ab hier Adjutant des Regimentskommandeurs)
1944: Rückzug zum Kurlandkessel
1945: Flucht nach Danzig, Kopenhagen und Postdam. Dort Fahnenflucht

Träger des Eisernen Kreuz Erster (1944) und Zweiter Klasse (1941). Vorgeschlagen zur Ehrenblattspange des Heeres für die Rettung zahlreicher Kameraden bei der Flucht nach Danzig.

Studium und Beruf

1945 nahm Weizsäcker ein Studium der Rechtswissenschaft, Nebenfach Geschichte, in Göttingen auf, das er 1950 mit dem ersten juristischen Staatsexamen beendete. Nach dem zweiten Staatsexamen (1953) erfolgte im Juli 1955 die Promotion zum Dr. jur.

Neben seinem Studium arbeitete Weizsäcker von 1947 bis Anfang 1949 als Assistent des Rechtsanwalts Hellmut Becker, der der Verteidiger seines Vaters bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen war.

Während dieser Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse war Weizsäcker Hilfsverteidiger seines Vaters, des SS-Brigadeführers und Staatssekretärs Ernst von Weizsäcker, der aufgrund seiner aktiven Mitwirkung bei der Deportation französischer Juden nach Auschwitz wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer sieben-, später fünfjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Von 1950 bis 1953 arbeitete Weizsäcker als wissenschaftliche Hilfskraft bei der Mannesmann AG in Gelsenkirchen, wo er im Stadtteil Bismarck wohnte.

1953 wechselte er in die Rechtsabteilung der Mannesmann AG nach Düsseldorf. Im Juli 1955 erhielt er Prokura und wurde 1957 Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung. Ende Juni 1958 schied Weizsäcker bei Mannesmann aus und war bis 1962 persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Waldthausen, zu dem über seine Frau familiäre Beziehungen bestanden.

Danach war er von 1962 bis 1966 Mitglied der Geschäftsführung des Chemie- und Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim in Ingelheim am Rhein.

Politische Karriere in der Partei


Er stand vom 11. Juni 1981 bis 9. Februar 1984 als Regierender Bürgermeister von Berlin einem Senat vor, der zunächst als Minderheitsregierung fungierte; im März 1983 bildete er eine Koalition mit der FDP.

Bundespräsident

Im November 1983 wurde Weizsäcker wieder für das Bundespräsidentenamt benannt und bei der Wahl am 23. Mai 1984 zum sechsten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt.


Auf der linken Seite Porträt von R. v. Weizsäcker. Rechts davon der Block 18 mit seinen fünf Vorgänger, entwertet durch den SST der Präsidentenwahl.
zum Beleg

Bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten am 23. Mai 1989 wurde Weizsäcker im Amt bestätigt. Es war die bislang einzige Wahl eines Bundespräsidenten, bei der es nur einen Bewerber gab.

Weizsäcker wirkte integrierend und erlangte hohe Anerkennung im In- und Ausland mit seiner Rede vom 8. Mai 1985, in der er den 8. Mai 1945 als "Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" bezeichnete.

In seine Amtszeit als Bundespräsident fiel die deutsche Wiedervereinigung, somit wurde Weizsäcker der erste Bundespräsident des vereinten Deutschlands. Er trat für ein behutsames Zusammenwachsen von Ost und West ein und mahnte in seiner Rede zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990: "Sich zu vereinen, heißt teilen lernen."

In der Zeit übte Richard von Weizsäcker 1992 schwere Kritik an den deutschen Parteien. Er kritisierte, dass sich der Einfluss der Parteien auf die gesamte Gesellschaft ausgeweitet habe.

Evangelischer Kirchentag

Von 1964 bis 1970 und von 1979 bis 1981 amtierte er als Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags, von 1967 bis 1984 gehörte er außerdem der Synode und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland an.

Vom Kirchentagsgründer Reinold von Thadden zum Nachfolger bestimmt, führte Richard von Weizsäcker den Kirchentag in dessen Sinne fort als offenes Forum mit den zwei Grundpfeilern der aktuellen politischen Debatte und der engagierten Begleitung der Kirche als Institution.

Sein wichtigstes Anliegen war es, Christen in ihrer Verantwortung im privaten, öffentlichen und beruflichen Alltag zu stärken.

Darüber hinaus legte er Wert auf den ökumenischen Charakter des Kirchentages. In die Zeit seiner Präsidentschaft fiel die Vorbereitung des ökumenischen Pfingsttreffens 1971, eines Vorläufers der Ökumenischen Kirchentage 2003 und 2010.


Ersttagsbrief der Sondermarke zum 1969er Kirchentag in Stuttgart mit der Unterschrift vom Kirchentagspräsidenten Richard von Weizsäcker.
zum Beleg

In von Weizsäckers Amtszeiten als Präsident fanden prägende Kirchentage statt: Der Kölner Kirchentag 1965 öffnete das ökumenische Gespräch mit der römisch-katholischen Kirche und der Stuttgarter Kirchentag 1969 stand bereits im Zeichen des gesellschaftlichen Umbruchs. Der Kirchentag 1981 in Hamburg ist als einer der großen Friedenskirchentage der 1980er Jahre in Erinnerung.

Besonderes Augenmerk legte Richard von Weizsäcker auf den deutsch-deutschen Zusammenhalt und die Brückenfunktion des Kirchentages. Seine Wahl zum Präsidenten 1964 erfolgte sowohl in den ost- wie in westdeutschen Gremien.
1983, kurz vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten, trat er als Redner beim legendären Kirchentag in Wittenberg in der damaligen DDR auf.

Nach seiner ersten Amtszeit als Kirchentagspräsidenten 1970 wurde die zweijährige Begrenzung der Kirchentagspäsidentenzeit, sprich für einen Kirchentag, eingeführt.

Dem unterlag er dann selber in der Zeit von 1979 bis 1981, in der der Kirchentag von Hamburg fiel.

Nachrufe aus der Kirchentagsverwaltung zum Todestag

Noch in den letzten Jahren war Richard von Weizsäcker regelmäßig als Referent oder Teilnehmer auf Kirchentagen präsent. Als weitsichtiger Ratgeber und warmherziger, humorvoller Begleiter stand er der Laienbewegung zur Seite.

"Meine Trauer ist groß. Richard von Weizsäcker hat den Kirchentag zusammengehalten in wichtigen Zeiten und stand exemplarisch für die Verbindung eines aufgeklärten Protestantismus mit politischer Beherztheit", so Ellen Ueberschär, die Generalsekretärin des Kirchentages zu seinem Todestag. "Ich werde seinen Rat vermissen."

Der aktuelle Kirchentagspräsident Andreas Barner ergänzt: "Richard von Weizsäcker wird dem Kirchentag und mir persönlich als weiser Berater fehlen. In kluger Bedachtsamkeit hat er die Welten der Politik, der Wirtschaft und des Glaubens zusammengeführt. Sein überzeugendes Vorbild wird bleiben."

Quellen



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Erstversion vom 04.08.2020. Letzte Aktualisierung am 13.08.2020.