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Nachlass eines Pionier Oberst der Bundeswehr


Im Juli 2020 kaufte ich bei eBay ein zu Anfang recht teuren kleineren Nachlass. Je mehr ich mich damit beschäftigte desto interessanter wurde der Nachlass, da er einige "Besonderheiten" hat.

Diverse Utensilien eines ehemaligen Oberst der BW

Inventarnummer: 2.5.22
Katalogbeschreibung: "Bundeswehr Miniatur 57er Abzeichen Pio Bundesverdienstkreuz, Hamburg Flut TOP"
Gekauft: 04.07.2020

Auktionstext: Bundeswehr Miniatur 57er Abzeichen Pio Bundesverdienstkreuz, Hamburg Flut TOP - Pionier Bundeswehr Oberst Nachlass, welcher noch Wehrmachtsangehöriger war - guter Zustand - gering berieben, teils mit Spuren (unsere interne Warennummer lautet 10612).


Foto der gesamten Artikel.
Auktionsbild

Nachlass?

Als eine Nachlass versteht man im archivarischen Sinne archivwürdiges Schriftgut und andere Materialien, die von einer natürlichen Person nach deren Tod von einer Bibliothek, einem Archiv oder einer anderen (wissenschaftlichen) Institution übernommen werden.

Bei diesem Ankauf handelt es sich um einen Teilnachlass, da in anderen Auktionen weitere Artikel (wenn auch keine Orden) versteigert wurden. Zudem fehlen neben den meisten Originalorden auch die Urkunden.
Desweiteren ist der ehemalige Träger nicht bekannt.

Das schränkt die Qualität des Nachlasses ein.

Liste der Auszeichnungen


In einer anderen Auktion zu sehen:

Kaufgrund?

Gekauft habe ich den Nachlass vorrangig wegen der Frackkette mit der Sturmflutmedaille.
Da es sich um die erste für mich erreichbare Frackkette handelte, habe ich nicht lange gezögert.

Das die Kette das goldene Ehrenabzeichen der Bundeswehr zusätzlich enthielt, war ein netter Bonus.

Wieso auf einmal so interessant?

Erst nach und nach nahm ich bewusst wahr, das hier eine besondere Kombination von Auszeichnungen vorhanden ist, die nicht so häufig gewesen sein dürfte.

Noch bis Ende der 1980er Jahre gab es ehemalige Wehrmachtsangehörige in der Bundeswehr, wenn auch zu diesem Zeitpunkt keine die in der Wehrmacht einen hohen Rang hatten. 1990 verließ der Jahrgang 1928 die Bundeswehr. Diese waren 1945 17 Jahre alt und höchstens in den letzten Aufgeboteinheiten aktiv.

Die eigentlichen Jahrgänge die die Masse der Soldaten in der Wehrmacht stellten sind deutlich älter, die der Offiziere noch erheblich mehr. Ein zum Kriegsbeginn eingezogener junger Mann stammte zumeist aus den Jahrgängen 1918-1921. Diese sind in der Bundeswehr schon Ende der 70er / Anfang der 80er ausgeschieden.

Erfahrene Offiziere und Unteroffiziere aus den Jahrgängen gab es später so einige, aber die Masse in der Wehrmacht waren da wohl eher noch mindestens zwei bis drei Jahre älter und schieden bei der Bundeswehr Mitte bis Ende der 70er aus.

Die Wahrscheinlichkeit, das ein ehemaliger Wehrmachtssoldat in der Bundeswehr noch die Chance hatte des Ehrenkreuz der Bundeswehr, was erst ab dem 06.11.1980 verliehen wurde, zu erhalten war daher gering.

Es kann sich hierbei nur um Berufssoldaten handeln (hohe Offiziere bzw. Unteroffizierstufen), was in diesem Fall eines Oberst auch zutrifft.

Aufgrund meiner aktuellen Erkenntnis kann ich nicht verifizieren, wie groß die Anzahl solcher Kombinationen möglich waren. Es würde mich aber überraschen, wenn wir hier noch im höheren dreistelligen Bereich landen würden.

Welchen Jahrgang hatte der Oberst?

Diese Frage ist aufgrund des vorigen Textes natürlich weiterhin noch interessant.

Die Kombination einer Wehrmachtsauszeichnung (Verwundetenmedaille) mit dem Bundeswehrehrenkreuz in Gold zeigt, das der Träger zumindestens noch bis 1981 aktiv in der Bundeswehr gewesen sein müsste.
Die Altersgrenze bei Berufssoldaten ist, solange ich mich erinnern kann, bei 62 Jahren.

Entsprechend muss der ehemalige Oberst frühestens 1919 geboren sein, da das Ehrenkreuz erst ab 1980 verliehen wurde.

Da er damit aber zum Start der Bundeswehr 1956 schon 37 Jahre alt wäre und somit vom Alter eher der höheren Laufbahn (Hauptmann, Major) entspricht, aber dafür nicht passenden Auszeichnungen hatte, ist zu vermuten das er deutlich später geboren wurde.

Das wiederum schrängt sehr schnell den Zeitraum ein der sinnvoll ist. Zum Start der Bundeswehr wird er vermutlich zwischen 25 und 30 Jahren alt gewesen sein. Mit 30 Jahren wäre er also Jahrgang 1926 und somit 1945 19 Jahre alt. Als Träger der Deutschen Reichsauszeichnung für Leibesübungen (DRL), die nur bis August 1944 verliehen wurde, ist er vermutlich sogar noch ein oder zwei Jahre älter.

Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der ehemalige Offizier zu den Jahrgängen 1925-1927 gehört. Somit war er zum Start der Bundeswehr zwischen 29 und 31 Jahre alt.

Das Verwundetenabzeichen von 1939 besagt nicht unbedingt das hier um einen ehemaligen Wehrmachtsangehörigen handelt. So konnten schon "Nicht"-Soldaten ab 1943 in besetzten Gebieten beliehen werden. Ab Herbst 1944 wurde es generell für Personen geöffnet, die nicht als Wehrmachtssoldaten, aber unter der Führung von Offizieren der Wehrmacht kämpften (z.B. RAD, HJ, usw.)

Ändert aber wenig an den Altersgrenzen die hier genutzt wurden.

Laufbahn des Oberst

Aufgrund der obigen Analyse ist davon auszugehen das der ehemalige Oberst in den letzten Jahren des zweiten Weltkrieg seine Frontbewährung hatte und sich dann zum Start der Bundeswehr als Offiziersanwärter/Fähnrich/Leutnant zur Verfügung stellte.

Da bei der Bundeswehr in ihren ersten Jahrzehnten der Altersdurchschnitt insbesondere bei den Offizieren / Berufs-Unteroffizieren sehr hoch war (im Schnitt 2+ über das gewünschte Maß, zb. Hauptmann 40+ statt 38+), war es sicher nicht ungewöhnlich das 1956/57/58 ein dreissigjähriger Leutnant als Zugführer bei den Pionieren im Einsatz war.

Leider bleibt vieles spekulativ. Aufgrund der vorhandenen Objekte ist zumindestens davon auszugehen, das er die 70er/80er Jahre an diversen Pionier-/Truppenschulen aktiv war. Zudem vermutlich zwischenzeitlich als Kommandeur eines Pionierbataillons. Man kann auch davon ausgehen, das er als verantworliche Pionieroffizier im Stab des 3.Korps aktiv war.

Eine seiner letzten Verwendungen muss in den 1980er zur Zusammenarbeit mit der US-Armee (vermutlich 3.Armoured Division bzw. 130th Engineer Brigade) geführt haben. Darauf weisst neben den entsprechenden PINs die Meritorious Service Medal hin.

Man kann davon ausgehen das der Oberst dann Mitte/Ende 1980er Jahre die Bundeswehr verlassen hat.

Als einer der letzten ehemaligen Wehrmachtsangehörigen.

Kurzes Zitat vom Verkäufer (ein Antik Händler) auf meine Frage ob er weiß wer der Inhaber war:
"Nein - es ist nur bekannt das der ehemalige Angehörige der wehrmacht später als BW Oberst tätig war. Die übrigen restlichen von mir eingestellten BW Artikel sind auch aus diesem Nachlass."

Deutsche Reichsauszeichnung für Leibesübungen in Bronze

Hierbei dürfte es sich um die erste Auszeichnung handeln, die der spätere Oberst in den frühen 1940er Jahren erhalten hat. Es ist das einzige in Originalgröße die im Nachlass enthalten war.

Es handelt sich im wesentlichen um das Deutsche Sportabzeichen, welches zuerst 1933 in Deutsches Reichssportabzeichen (DRA) und ab 1937 als Deutsche Reichsauszeichnung für Leibesübungen (DRL) umbenannt wurde.

Die DRL Variante der Auszeichnungen wurden bis zu ihrem Stop im August 1944 nur mit Hackenkreuz am unteren Ende verliehen. Nachkaufvarianten, wie das unten vorhandene Exemplar, aus den Jahren 1945 bis 1952 enthielten kein Hackenkreuz mehr.

Diese Steckauszeichnung konnte in der Wehrmachtszeit an der Uniform (linke Brusttasche) getragen werden. Mit dem Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen (§ 6.2) vom 26. Juli 1957 gehört diese Auszeichnung zu den verbotenen und darf unter keinen Umständen (selbst in entnazifizierter Form) getragen werden.

Man kann also davon ausgehen, das der spätere Oberst diese Auszeichung nur wenige Jahre tragen durfte.


Vorderseite. Wichtiges Merkmal ist die Schleife. Diese unterscheidet sie, neben dem Hakenkreuz, von den vor 1945 produzierten Varianten der Sportabzeichen.


Rückseite ohne Herstellermerkmal.

Ältere Bandschnalle

Vermutlich in den mittleren / späten 1960er gekaufte Bandschnalle, nach dem Erhalt der Sturmflutmedaille.


Vorderseite mit schw. Verwundetenabzeichen, Hamburger Dankesmedaille 1962 und Silbernes DSB-Abzeichen.


Rückseite


1980er Bandschnalle

Nach dem Erhalt des Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold hat der Oberst eine neue Bandschnalle, zusammen mit der Frackkette(!), anfertigen lassen.

Diese Bestand zu Anfang aus den reinen deutschen Auszeichnungen. Nach Erhalt der amerikanischen Medaille wurde die amerikanische Bandspange im falschen (32 statt 25mm) Format nachträglich an die bisherige Schnalle angefügt, was man gut auf der Rückseite sehen kann.

Die Schnalle wurde nur noch wenig getragen, auch wenn leichte Abriebspuren vorhanden sind.


Vorderseite mit folgenden Auszeichnungen (von links nach rechts):
Erste Reihe: Verdienstkreuz am Bande, Verwundetenabzeichen (1939) in Schwarz, Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold und Hamburg Dankesmedaille Sturmflut
Zweite Reihe: Deutsches Sportabzeichen in Silber, Meritorious Service Medal


Die Rückseite zeigt schön die Ergänzung durch die Meritorious Medaille. Die braunen Verstärkungen sind Lederstücke.

1980er Frackkette

Zusammen mit der obigen Bandschnalle wurde durch den Oberst die folgende Frackkette angeschafft.

Frackketten werden bei gesellschaftlichen Anlässen am Zivilanzug (Frack) getragen.

Die Reihenfolge der Orden ist bei Frackketten als einzige anders, da diese auf der linken Seite am Kragen schräg hängend getragen werden. Damit die hochwertigsten Auszeichnungen oben sind, sind sie auf der Kette ganz rechts, statt wie bei der Schnalle links.


Frackkette von vorne.
Die Auszeichnungen entsprechend der 1980er Bandschnalle, ohne die US-Auszeichnung.
Von links nach rechts: Sportabzeichen in Silber, Hamburg Dankesmedaille Sturmflut 1962, Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold, Verwundetenabzeichen (1939) in Schwarz und Verdienstkreuz am Bande




Rückseite. Nur die Hamburger Dankesmedaille ist geprägt. Zudem wird hier die eigentliche Vorderseite wieder als Rückseite verwendet (wie üblich, aber nicht vorgesehen).

Stecknadel des Sportabzeichen in Silber

Klassische Variante des Sportabzeichen in Silber, wie es von 1952 bis 2006 verliehen wurde, als Stecknadel für den Zivilanzug.


Treuenadel des Deutscher Bundeswehrverband

Das der ehemalige Oberst sebst nach seiner Dienstzeit der Bundeswehr die Treue hielt, zeigt die Ehrennadel zu 40 Jahre Mitgliedschaft, die er frühestens 1996 erhalten haben dürfte.

Der Deutsche BundeswehrVerband e.V. (DBwV) ist ein überparteilicher und finanziell unabhängiger eingetragener Verein. Er vertritt in allen Fragen des Dienst-, Sozial- und Versorgungsrechts die Interessen Mitglieder – aktive Soldaten, Reservisten, Ehemalige und Hinterbliebene, zivile Angehörige der Bundeswehr sowie fördernde Mitglieder. Er beteiligt sich auch an sicherheits- und gesellschaftspolitischen Debatten.


Verbandsabzeichen

Bei der Bundeswehr werden Brustanhänger in Unterscheidung zum Verbandsabzeichen am Ärmel als „internes Verbandsabzeichen“ bezeichnet, welches die Zugehörigkeit zu einer Einheit oder einem Verband kennzeichnet. Dabei wurden die Brustanhänger an der Uniform an der linken Brusttasche getragen. Die Stecknadel wurden grundsätzlich nur am Zivilanzug getragen.

Es ist davon auszugehen, das die vorliegende Abzeichen die Stationierungsorte des Soldaten zeigen. Wobei davon auszugehen, das die 50/60er Jahre nicht dargestellt sind.

Vermutliche Reihenfolge (mit Sprünge):


Links oben das Logo der Pionierschule in München bis 1972. Rechts mit dem Lederhänger das PiLehrBtl 220 (München, aufgelöst 31.03.1994). Links unten Pionierkommando 3 des III. Korps (Koblenz, 1972 bis 1993).


Rückseite des Pionierschule in München.


Stecknadel vermutlich mit dem Abzeichen des Pionierbataillon 15 (Köln, 1970-1981, Geräteeinheit)

130th Engineer Brigade (United States)

Pionierbrigade der USA, die 1969 in Hanau neu aufgestellt wurde und dort 25 Jahre stationiert war.

Vermutlich hatte der Oberst in den 1980er mit der Brigade zu tun gehabt und hat im Rahmen dessen das "Distinctive Unit Insignia" als Pin erhalten.

Es handelt sich nicht um das eigentliche Verbandabzeichen der Brigade.


3rd Armored Division (United States)

Die 3. Panzerdivision der USA wurde 1956 nach Deutschland verlegt und dort bis 1991 stationiert und danach aufgelöst. Ihr bekanntester Soldat war Elvis Presley.

Der Einsatz der Division war im Schwerpunkt im bekannten Fulga Gap im Rahmen des V.Korps geplannt.

Vermutlich gab es im Rahmen der Manöver der 1980er Jahre eine Zusammenarbeit mit dem III.Korps und in dem Fall hat der Oberst den Pin erhalten.


Das Wappen der 3. Panzerdivision als Pin.

Mitgliedsnadel "Bund deutscher Pioniere e.V."

Dieser Verein, der die Belange der Pioniere unterstützt, entstand 1951 als Neugründung eines 1938 zwangsaufgelösten Pionierbundes.

Mehr dazu auf der Vereinseite: https://www.bdpi.org/

Die Nadel konnten aufgrund eines Kommentars im Beitrag (siehe unten) zugeordnet werden. Vielen Dank dafür.




Bilder aus der Auktion


















Bilder aus den anderen Auktionen













Kommentare

von Markus:
20.11.2023 17:04
Bei den Abzeichen mit dem Anker handelt es sich um den Bund Deutscher Pioniere.
von Coki:
20.11.2023 17:39
Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe ihn gleich eingearbeitet.

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Erstversion vom 11.07.2020. Letzte Aktualisierung am 20.11.2023.