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HSV - Bayern = 2:0

Artikel vom 25.09.2005 aus Sonstiges.

9 Jahre her, da habe ich als eingefleischter HSV Fan den letzten Sieg der Hamburger gegen die Bayern im Fernsehen gesehen. Das damalige 2:1 im “tiefsten” Winter war der letzte positive Lichtblick gegen diese dominante Mannschaft.

Nun ist es geschehen. In einem Duell das den Namen “Nord-Süd"-Gipfel verdiente, immerhin kam der erste gegen den zweiten in den Norden, gelang das geniale und der HSV gewinnt gestern 2:0 in einem spannenden, guten und für den HSV verdienten Sieg.

Interessanter Hinweis. Es war das Spiel der Serien. HSV in den letzten 16 Pflichtspielen (Bundesliga, UI-Cup, UEFA udn DFP-Pokal) unbesiegt, gegen die Bayern die mit 15 Siegen hintereinander in der Bundesliga einen neuen Rekord aufgestellt hatten.

Im Forum der HSV Supporters, der Fanabteilung, hat der Fan Fuxi einen sehr gut geschriebenen Spielbericht gepostet, den ich hier wieder geben möchte.

Eine Serie würde an diesem Tag zuende gehen, das war sicher: Entweder würden die Bayern erstmals Punkte abgeben oder der HSV verlieren.

Aber wessen Serie würde es sein?
Die Psychologie konnte da eine Rolle spielen. Während Thomas Doll im Stadionheft meinte, der HSV hätte gute Chancen, und auf die eigene Stärke verwies, sprach Kontrahent Felix Magath davon, dass die nächste Niederlage schon garantiert sei, nur der Zeitpunkt stehe noch nicht fest.

Positive gegen leicht negative Einstellung - wenn die Trainer das vermittelten, standen die Zeichen für einen HSV-Sieg wirklich nicht schlecht. Bei den Rothosen fehlten Collin Benjamin, Raphael Wicky und Mehdi Mahdavikia. Die Bayern mussten unter anderem auf Philipp Lahm und Claudio Pizarro verzichten.
Thomas Doll vertraute im Topspiel des Tabellenzweiten gegen den Rekordmeister auf sein gewohntes System mit personell ungewöhnlich offensiver Ausrichtung: Vor der Viererkette aus Atouba, van Buyten, Boulahrouz und dem wieder genesenen Guy Demel sollte Stefan Beinlich den Wicky geben und gegen Ballack abräumen.
Links rückte Piotr Trochowski wieder ins Team, David Jarolim wechselte auf die rechte Seite - wohl wegen der besseren Beidfüßigkeit Trochowskis.
Davor war dann alles wieder wie immer: van der Vaart hinter den Spitzen Barbarez und Lauth.

Die Bayern hielten ein 4-3-2-1 dagegen. Die Viererkette vor Kahn bestand aus Lizarazu, Ismael, Lucio und Sagnol.
Im Mittelfeld agierte eine Dreierreihe aus Zé Roberto, Demichelis und Salihamidzic, davor Karimi und Ballack.
Die einzige Spitze hieß Makaay.

Ein erstes Ausrufezeichen setzte Thimothee Atouba nur Sekunden nach Anstoß: Er verarschte Ex-HSVer Salihamidzic mit zwei Haken und schob ihm das Runde unter den Klüten durch. Beide Teams begannen aber nervös, beiderseits gab es innerhalb der ersten drei Minuten je drei Fehlpässe. Sowohl der Zweite wie auch der Erste eröffneten das Spiel abwartend, kontrolliert.

Nach 7 Minuten schlug Beinlich einen Freistoß aus 40 Metern hoch in den Strafraum, Barbarez köpfte in Rücklage schwach in die Arme von Kahn.

Den ersten farblichen Karton setzte es nur eine Zeigerumdrehung später, als Jarolim Ballack mit gestrecktem Bein zu Fall brachte. Aber der HSV hatte mehr vom Spiel. Trochwoski bekam nach zehn Minuten das Leder im Mittelfeld zugespielt und ließ Ballack ins Leere laufen. Dann suchte er mit einem Steilpass an den Strafraum van der Vaart. Karimi fälschte mit der Fußspitze ab, Lauth startete und wollte das Leder mitnehmen, überließ aber doch dem mit etwas Geschwindigkeitsüberschuss heranrauschenden van der Vaart. Der lief auf Kahn zu und schob ihm die Kugel mit dem schwächeren rechten Fuß durch den Tunnel ins lange Eck - 1:0 für den HSV!
Der Regisseur der Hamburger erwischte den Rekordmeister mit seinem vierten Saisontreffer eiskalt.

Die Bayern waren nicht geschockt. Drei Minuten nach der Führung zog Ballack einen Freistoß aus 25 Metern rechts um die Mauer auf das kurze Eck, aber Stefan Wächter flog genau dorthin und boxte den Schuss weg. Seine erste Bewährungsprobe hatte der HSV-Keeper bestanden. Der HSV stand defensiv gut, hatte eine hohe Zweikampfquote. Das merkte man Ballack nach 20 Minuten an, als er Atouba per Frustfoul von hinten umsägte und mit der gelben Karte von Schiedsrichter Meyer noch gut bedient war. Es fiel in dieser Phase auf, dass van der Vaart bei den Rothosen oft in den Spielaufbau eingebunden war. Er nutzte wieder seine gewohnte Taktik, ließ sich ins Mittelfeld zurückfallen und tauchte dann überraschend vorn auf. Sehr wirkungsvoll.

In dieser Phase zwischen der 15. und 30. Minute kam Hektik auf. Nach einer Schiedsrichterentscheidung gegen die Hanseaten explodierte Barbarez vor dem Referee und sah gelb. Kurz darauf gab es Freistoß für die Bayern, und da hatte Barbarez schon Glück: Ismael wollte seinen Platzverweis provozieren, rangelte ihn um und ließ es für Schiri Meyer so aussehen, als habe der Bosnier ihn umgerissen! Meyer fiel bedingt darauf herein, mahnte den unschuldigen HSV-Stürmer zur Ruhe und drohte mit dem Platzverweis.

Und was war sportlich mit Bayern? Nix! Sie suchten zwar das 1:1, fanden aber keine Mittel gegen die Hausherren. Der HSV war gefährlicher.

Einen Einwurf Demels leitete Barbarez mit dem Kopf weiter. Lauth kam im Rücken von Ismael dran und drosch das Runde volley aus 13 Metern halbrechts auf das kurze Eck, wo Kahn schon Mühe hatte, um zur Ecke zu bereinigen.

Es brauchte schon Fehler der Hamburger, um die Süddeutschen Richtung HSV-Tor zu leiten. Jarolim verpatzte im Mittelkreis eine Ballannahme, Zé Roberto spitzelte zu Makaay, und der spielte vor Boulahrouz wieder in den Lauf des Brasilianers. Den Braten hatte allerdings Wächter gerochen, stürmte in respekteinflößender Weise raus und schlug ihn einen Schritt vor dem Linksfuß weg (36.). Es war die letzte Aktion der ersten Hälfte.

Bemerkenswert war lediglich, dass Felix Magath seine Ersatzspieler schon nach zwanzig Minuten zum Aufwärmen geschickt hatte.

Er hatte auch keinen Grund zur Zufriedenheit. Der HSV war die bessere Elf, verhinderte jede bayerische Gefahr aus dem Spiel heraus, trotz des Drucks nach dem 1:0. Die Doll-Mannschaft stand einfach sehr gut und diszipliniert - kam ein Bayer an einem Hamburger vorbei, war schon ein anderer da, um ihm das Leder wegzunehmen. In der Offensive hatte Hamburg Mühe. Zudem gab es viel Hektik und Spielunterbrechungen. Felix Magath nahm dann auch Salihamidzic und Karimi, beide ohne Spielbindung, raus und brachte neben Schweinsteiger auch Guerrero, eine zweite Spitze. Die Zeichen standen auf Sturm.

Bayern München startete stärker in den zweiten Durchgang, brauchte aber wieder eine Standardsituation.
Sagnols Freistoß von rechts köpfte Barbarez an den Kopf von Ballack und klärte im Gewühl dann endgültig.

Der HSV konterte in der 53. Minute. Jarolim drängte in Richtung Strafraum und wollte Lauth bedienen, passte aber ins Leere. Durch ein Missverständnis mit Ismael spielte Lucio das Leder aber unbedrängt in den Fuß von Barbarez, der sofort nach links weitergab. Trochowski dribbelte im Strafraum gegen Lucio, schlug zwei Haken und schoss dann aus spitzem Winkel ans Außennetz. Wieder nur eine Minute später der nächste Konter: Barbarez gewann ein Kopfballduell gegen Sagnol und legte auf diese Art auf Lauth weiter. Der zog zum Strafraum, verfolgt von Sagnol und Ismael, knallte mit links aus 20 Metern drauf. Kahn flog, klatschte ab, und Lizarazu klärte vor Barbarez zur Ecke. Die Hamburger blieben die bessere Mannschaft.

Die Partie wurde aber offener. Das erkannte auch Magath, der nun Lizarazu vom Feld nahm und mit Scholl eine weitere Offensivkraft brachte (61.). Den HSV-Fans wurde langsam mulmig…

… aber nur eine Minute. Da leitete van der Vaart, der sich etwas zurückgenommen hatte, per Antritt einen Konter ein. Vor Sagnol legte er nach links ab zu Trochowski. Der machte einen Schritt zur Seite und entledigte sich so Sagnol. Kurzer Pass in die Mitte zu Barbarez und dann Antritt zum Strafraum. Der Bosnier nahm den Ball an, schaute, sah den gestarteten Trochowski im Rücken der Litfaßsäule Ismael und spielte ihn an. Der Vorlagengeber zum 1:0 nahm die Kugel zur Mitte mit, stürmte an Lucio vorbei und knallte aus 14 Metern aufs lange Eck. Kahn sprang, streckte sich vergebens, und der Strahl krachte ins Eck - drin!!! 2:0 - wer hätte das gedacht? Und das war auch noch verdient!

Das schien zu sitzen. Beim HSV kam jetzt nicht etwa eine neue Defensivkraft, sondern mit Mpenza für Lauth ein schneller Konterstürmer. Doll wollte das 3:0. Zunächst mussten die Hanseaten aber aufpassen.

Nach Ballverlust von Demel gegen Guerrero rauschte Makaay mit Ball an Boulahrouz vorbei den linken Flügel längs, flankte zurück an die Strafraumgrenze, wo Schweinsteiger mit viel Platz volley abzog und das Ding gen B-Rang donnerte (69.). Demel ging dann raus, aber nicht wegen etwaiger schwacher Leistung, sondern zur Schonung.

Reinhardt kam, und Boulahrouz wechselte auf die rechte Außenverteidiger-Position. Wieder ein Freistoß für Bayern, diesesmal gefährlicher: Zé Roberto setzte ihn aus 18 Metern knapp neben den rechten Pfosten (74.). Bayern drängte, lief ohne Konzept an. Der HSV stand hinten in dieser Phase zu tief und vergab durch risikolose Pässe, die nicht der Spitze galten, gute Konteransätze. Beim HSV kam in der Schlussphase Reto Ziegler für van der Vaart (82.). Dann sah der völlig abgemeldete Makaay nach Foul an Boulahrouz gelb.

Nochmal die Bayern. Sagnol spielte halbhoch in den Strafraum, Makaay und Boulahrouz verpassten, dahinter stand Lucio frei und knallte den Dropkick aus zehn Metern klar drüber. Glück für den HSV, dass der Ball dem Brasilianer über den Schlappen rutschte (84.).

Drei Minuten später setzte Scholl einen Freistoß vom linken Strafraumeck ans Außennetz. Den Bayern gelang nichts, und die Hektik im Spiel half ihnen auch nicht. Der Sieg des HSV war greifbar, und den Schlusspunkt hatten die Rothosen auf der Pfanne. Von rechts spielte Mpenza zu Barbarez. Der wollte wieder den Belgier bedienen, der aber durchlaufen ließ. Dahinter kam Jarolim in Ballbesitz, schloss aber nicht selbst ab, sondern stoppte und spielte dann an den Fünfer zu Mpenza. Der traf allerdings im Fallen nicht richtig, und so konnte Kahn doch das 3:0 verhindern (90.). Und nach exakt einer Minute Nachspielzeit war es dann vollbracht - der erste Sieg gegen Bayern seit Dezember 1996.

Und der Sieg war hochverdient gegen in allen Belangen schwache Bayern.
Der HSV war 91 Minuten lang hochgradig konzentriert, ging mit vollem Einsatz bissig und konsequent in die Zweikämpfe - etwas, worauf der Rekordmeister traditionell allergisch reagiert. Schon nach dem 1:0 konnte man erahnen, dass der Glaube an den Sieg bei den Gästen nie vorhanden war.

Selbst als die Bayern öffneten und drängten, war der HSV souverän. Gefahr drohte ausschließlich bei ruhendem Ball. Ansonsten fanden die Münchener im gesamten Spiel kein Mittel gegen kampfstarke Hanseaten. Abwehr und Mittelfeld des Tabellenzweiten lieferten eine tadellose Leistung ab. Ballack (ein Torschuss) und Makaay (kein Torschuss) fanden nicht statt, der eingewechselte Guerrero schon gleich gar nicht. Immer wieder war eine Rothose schneller als eine Lederhose.

Frappierend aber, wie spielerisch der FCB entzaubert wurde - ständig liefen attackierende Münchener gegen das Kurzpassspiel der Hamburger ins Leere. Gegen die Treffer war Kahn machtlos, überzeugen konnten bei den Gästen allenfalls Lucio und Sagnol. Beim HSV ragten aus dem Team vor allem Boulahrouz, van Buyten, Trochowski und Beinlich heraus. Letzterer spielte zwar unauffällig und war an Offensivaktionen fast überhaupt nicht beteiligt, stellte Ballack dafür aber komplett aufs Abstellgleis. Die Mühen des HSV, der sich ein 6:4-Übergewicht an guten Chancen erarbeitete, wurden endlich mal belohnt.


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Erstversion vom 25.09.2005. Letzte Aktualisierung am 15.09.2009.